Nachruf für Prof. Dr. Wilfried Stroh
17.07.2025
Prof. Dr. Wilfried Stroh ist am 15. Juli 2025 im Alter von 85 Jahren gestorben. Als Professor für Klassische Philologie wirkte er seit 1976 an der LMU.
Die römische Dichtung und Redekunst eröffneten ihm seit den Qualifikationsschriften zur Liebeselegie und zu Ciceros Strategien in den Gerichtsreden diejenigen Forschungsgebiete, die er mit jeder Publikation weiter ausmaß – immer in kritischer Auseinandersetzung mit aktuellen Publikationen und mit allgemein anerkannten Forschungsansichten, immer aber auch in Kontakt zu einem breiten Publikum über die Universität hinaus: Sein Cicero-Bändchen in der Reihe Beck Wissen bleibt eine zu Recht beliebte Einführung. „Die Macht der Rede“ ist eine spannend zu lesende Geschichte der Rhetorik der Antike, die bis in die Neuzeit ausgreift. Und auf die SPIEGEL-Bestseller-Liste schaffte er es 2007 mit der Geschichte einer Weltsprache: „Latein ist tot – es lebe Latein!“
Kein Wunder, denn sein lebenslanger persönlicher Einsatz galt dem lebendigen Latein. Wer an der LMU studierte, hatte das Privileg, bis 2019 seine lateinischen Vorlesungen besuchen zu können. In den Colloquia latina konnte man die Scheu vor dem Latein-Sprechen ablegen. Kein Gymnasium, das ihn zum Vortrag einlud, dürfte je eine Absage erhalten haben. Seit den frühen 80er Jahren organisierte er die LVDI LATINI, die das gesprochene und – angeregt durch seine Freundschaft mit dem Komponisten Jan Novák – das gesungene Latein förderten. Als Widerlegung der Forschungsauffassung, dass Seneca seine Dramen nur zur Deklamation verfasst habe, verstand er 1993 die szenische Aufführung der Troades (bzw. „Troas“, wie er den Titel einer der handschriftlichen Traditionslinien verteidigte), für die auch die Chorlieder vertont und mit instrumentaler Begleitung gesungen und getanzt wurden. Mit rhetorisch mitreißenden Vorträgen und Rezitationen – zuerst auf Schallplatte und Kassette, schließlich auch mit zahlreichen Online-Beiträgen – brachte er zahllosen Latein-Fans die römische Verskunst und die Grundsätze der antiken Metrik nahe. In grundlegenden wissenschaftlichen Beiträgen widmete er sich sprachhistorisch und wissenschaftsgeschichtlich der Aussprache und Grammatik des Lateinischen bis in die Neuzeit.
1976 hatte er die Rezension zu einer Studie zur Nachwirkung des Horaz in der neulateinischen Lyrik übernommen – seitdem war er für Jacob Balde gewonnen, den „größten bayerischen Dichter“, wie er in den Einladungen zum Neulateinischen Forschungskolloquium regelmäßig betonte. Noch bis zwei Wochen vor seinem Tod hat er aktiv an der Forschung und Lehre im Balde-Colloquium teilgenommen.
Seine ansteckende Begeisterung werden wir nicht nur dort schmerzlich vermissen.